© by Thore Rudzki
2. Der Start – von zuhause aus
Wir hatten uns nach dem Regen, zu einem Spaziergang aufgerafft. Diesmal ein
etwas anderer Weg als üblich, da einige Sandwege zu Matschpisten
verwandelt worden waren.
Und so sah ich plötzlich – nur wenige zehn Meter
vor meinem üblichen Wege – ein großes
Holzschild am rechten Wegesrande. Es war sehr
auffällig und fast schon offiziell. Ich war
fassungslos – hier wurden die Hundebesitzer
aufgefordert, die Hunde nicht frei laufen zu lassen.
Denn ihre Häufchen würden die Ernte und deren
Qualität gefährden. Unterzeichnet vom Hessischen
Bauernverband...
So etwas hatte ich noch nie gehört. Aber es war
existierend – vor unseren Augen. Plötzlich
schreckten wir beide zusammen, als ein Mann uns,
während wir noch das Schild versuchten zu
entziffern, von hinten ansprach: “Ja – das ist eine
Unverschämtheit“. Und - während er sich zu seinem Hund drehte, der brav
neben ihm stand - „Was können die paar Hunde denn überhaupt anrichten –
meistens machen sie doch nur an den Wegesrand.“
Dieses Schild besagt u.a., daß durch Hundekot Kälbchen noch im Mutterleib
sterben würden. Was für eine böser Haßausbruch! Da wir hier aber sowieso
nur Mais, Weizen und Rüben haben, unnötig - es gibt hier keine
Grünfutterflächen.
Ich stimmte ihm zu: „Rund 10 Jahren bin ich mit meinem Hund hier entlang
gegangen – aber nie konnte ich das Häufchen vom Vortag wiedersehen.
Alles wird ganz schnell von dem Getier im Erdboden verwertet –
verschwindet. Es sorgt sogar dadurch noch für eine bessere Bodenqualität –
das lernt man doch in der Schule. Haben die Bauern denn noch nie etwas
von Mistkäfern gehört, die alles sofort fressen oder in Kugeln in der Erde
vergraben? Oder gehen sie davon aus, daß sie mit ihrem auf den Feldern
verspritzten Gift sowieso alles Leben im Boden auslöschen werden?“
Oben angekommen, bogen wir nach links zu den Feldern ab. Was war das
für ein schöner Blick, der sich dort in die Weite über die Hügel bot. Von der
Bank aus - wo ich jedes Mal eine Pause machte. Sie schaute aber nur auf
den Boden, die Felder – das Erdreich dort. „Das sieht aber nicht gesund
aus. Überall Risse, tiefe Furchen – ausgetrocknet und aufgebrochen. Wenn
nicht bald noch mehr Regen kommt, wird es hier bald nichts mehr zu ernten
geben. Der schon eingetretene Klimawandel erfordert durch die fehlenden
Niederschläge ganz andere Anbaumethoden. Hier wächst bald nichts mehr.“
Ich versuchte sie mit etwas Positiverem abzulenken: „Siehst Du die Hügel
dort Richtung Osten? Ein ganz besonderes Gebiet, das eigentlich berühmt
ist.“
Ohne auf ihre Frage zu warten, brachte ich mein Schulwissen an: „Hier in
der Gegend spielte der Roman `Simplicius Simplicissimus´ - eine wilde
Geschichte aus dem Mittelalter, die wir in der Schule lesen mußten. Kaum
glaublich, daß es mich vor 25 Jahren genau in diese Gegend geführt hat.“
„Ja – war das Mittelalter nicht die Zeit, als es hier viel wärmer war als jetzt?
Und das ohne C02-Verschmutzung durch uns Menschen?“
„Eben - diese Klima-Schwankungen kommen immer wieder vor. Ohne
dieses warme Wetter, hätten hier damals keine Menschen leben können.“
Während unsere Gedanken in die Vergangenheit schweiften, wurden wir
von hinten angesprochen. Eine Frau mit einem kleinen Hund hatte sich
langsam von hinten genähert.
„Ich habe gesehen, daß Sie bei dem Witz-Schild stehen geblieben sind,
wohl darüber sprachen. Ich habe meinen Kleinen an die Leine genommen.
Nein - nicht weil es da unten auf dem Schild steht, nein - sondern damit er
sich nicht vergiftet.“
Die Frau nickte zur Betonung ihrer Worte sehr heftig, als sie unser
Unverständnis in unseren fragenden Blicken sah. „Was viel schlimmer ist,
sind die Unmengen von Klärschlamm, den die Bauern hier ausbringen!“
„Ihhhhhhh!“ entfuhr es meiner Frau, die staunend weiteres erfuhr.
„Die Bauern bekommen 200€ für die Abnahme von einer Tonne Abfall aus
den Kläranlagen. Was für ein gutes Geschäft, da sie dadurch normale
Düngemittel sparen. Aber in diesem stinkenden Zeug ist alles Gift
vorhanden, was die Kläranlagen nicht herausfiltern konnten – vor allem aber
die Abwässer der Krankenhäuser! Die dort verabreichten Chemotherapien
und Schmerzmittel, Hormone und Antibiotika kommen direkt hier auf unsere
Felder. Die Gifte gehen in das Getreide und Gemüse.“
„Nein wirklich? Ich dachte, nur das Fleisch sei durch die illegalen Hormon-
Zugaben der Bauern belastet. Jetzt ist man noch nicht einmal als Vegetarier
vor den Giften der Landwirtschaft sicher“, entrüstete sie sich.
„Das ist noch nicht alles. Durch die intensive
Sonneneinstrahlung verwandeln sich einige
der im Klärschlamm enthaltenen Medikamente
zu den stärksten Giften, die es auf der Erde
gibt. Und wir essen das mit.“
„Und die Bauern regen sich über ein paar Hundehäufchen auf! Die sind
wenigstens noch biologisch,“ sagte ich, als wir
uns verabschiedeten und nachdenklich hinter
den Beiden den Hügel hinab schlichen. Gut –
die Kläranlagen in Orten über 50.000
Einwohner werden verbessert – aber erst bis
2032. Doch gibt es nicht sehr viel mehr
kleinere Städtchen…?
Was hilft es, wenn die Hälfte des Klärschlamms verbrand wird – die andere
Hälfte kommt also auf die Felder. Guten Appetit. Die letzte Meldung aktuell
dazu: Ein Großteil der Verbrennungs-Anlagen ist mit dem Hausmüll
ausgelastet, nimmt keinen Industriemüll mehr an…
Kurz vor der Rückkehr in unser Haus mußten wir noch einmal stehen
bleiben. Ein schrecklicher Anblick bot sich uns! Drei Fichten am Wegrand,
zwischen einigen Laubbäumen, vollständig vertrocknet. Kein einziges
Lebenszeichen mehr, kein frischer Trieb. Und keiner hatte es für nötig
befunden, diese Baumleichen zu entfernen.
„Wie eben oben auf dem Hügel der trockene Boden – es gibt hier kein
ausreichendes Grundwasser mehr. Alle Fichten werden in den nächsten
Jahren aufgeben, ihre Wurzeln reichen nicht tief genug in den Boden.“ Sie
zog mich weiter, Richtung unseres Zuhauses.
Dort bat ich sie, mit in den Garten zu kommen – hinten auf unsere Garten-
Wall. Sie sah sofort, welche Absicht ich damit verband – zeigte mit dem Arm
auf die Felder: „Der Hügel steigt an – dort sind all die Felder. Und dort ist der
giftige Klärschlamm. Wenn es dann wie jetzt üblich sintflutartig regnet,
versickert das Wasser nicht. Nein – es reißt den
Giftdünger mit – er fließt hinab…“.
„Zu uns“, ergänzte ich und zeigte auf den
Gartenzaun zum Nachbarhaus.
„Am Anfang floß das Wasser hier durch den
Garten, links am Teich vorbei, dann am Haus – und
schließlich herab auf die Straße. Durch den Wall,
den Peter hier für mich anlegte, wird das meiste
auf den Streifen zwischen mir und dem Nachbarn
abgeleitet – nur wenig kommt noch unter der
Brücke hindurch. Das gab früher hier dicke
Schlammspuren – es sah aus wie nach einer
Naturkatastrophe.“
„Und jetzt wird alles mit dem Klärschlamm vergiftet – hier bei uns im Garten!
Wir müssen einfach weg – das ist zu ungesund. Sei froh, daß Dein Hund
nicht mehr lebt. Er würde im eigenen Garten vergiftet werden.“
Ich zeigte zur anderen Seite, nach Westen am Zaun entlang. Dort sah man
deutlich einen freien Streifen am Zaun entlang – zwischen all dem
wuchernden Unkraut. „Wir müssen nicht auf den Regen warten, wir haben
auch giftige Nachbarn! Da wurde nicht gemäht, es gibt keine Grasreste
mehr. Dort wurde wohl mit dem Teufelszeug Glyphosat der freie Streifen
gesprüht. Alles ist tot, sicher auch kein Regenwurm hat überlebt. Dieses
angebliche `Unkrautmittel´ hat alles Leben ausgelöscht.“
„Die Menschen bringen sich selbst um – im Kleinen wie im Großen. Hier
wohnen also Verbrecher in der Nähe.“ Ich konnte ihr nicht guten Gewissens
widersprechen.
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